Wie Sie robuster werden! Warum Hardiness (nicht nur für Einsatzkräfte) entscheidend ist.

Einsatzkräfte stehen in ihrem Beruf oft vor stressigen, belastenden und potenziell traumatisierenden Situationen. Dabei wird oft die Bedeutung von Resilienz betont, also die Fähigkeit sich von psychischen Belastungsfolgen schnell wieder zu erholen. Doch tatsächlich steht die Eigenschaft der Hardiness (Robustheit) mindestens gleich stark im Fokus, wenn es um das meistern schwieriger Lebens- und Einsatzsituationen geht. Robuste Menschen sind besonders widerstandsfähig gegenüber Stress und Belastungen, sind quasi „harte Typen“. In diesem Blogartikel gehe ich näher auf die Bedeutung von Hardiness im Vergleich zur Resilienz ein. Ich zeige auf, dass die Fähigkeit zur schnellen Rückkehr in einen unbelasteten Zustand (to bounce back) nach traumatischen Ereignissen zwar wichtig ist, aber alleine nicht ausreicht. Vielmehr ist es entscheidend, dass sie auch über Hardiness verfügen, also widerstandsfähig und belastbar sind. Ich werde Ihnen zudem konkrete Handlungsempfehlungen geben, wie Sie Ihre Hardiness gezielt fördern können.



Wie sie robuster werden - HOPE Blog

Was ist Hardiness/Robustheit

Robustheit beschreibt die Fähigkeit eines Systems, ohne Änderung seiner anfänglich stabilen Struktur Veränderungen standzuhalten. Hardiness ist somit eine mentale Qualität, die es einer Person ermöglicht, sich in stressigen und schwierigen Situationen zu behaupten und gleichzeitig ihre geistige Gesundheit und Belastbarkeit aufrechtzuerhalten. Eine Person mit Hardiness ist in der Lage, ihre Emotionen und Gedanken zu kontrollieren und ihre Ziele im Auge zu behalten, auch wenn es schwierig wird. Hardiness basiert auf drei Hauptmerkmalen: Engagement (Commitment), Kontrollüberzeugung (Selbstwirksamkeitserwartung) und Herausforderung. Engagement bzw. Commitment bedeutet, dass eine Person Ziele hat, die wichtig und sinnvoll für sie sind, und dass sie bereit ist, sich dafür einzusetzen. Es ist somit das Gegenteil von Passivität und Vermeidung und bedeutet Leidenschaft für das Leben und eine starke Motivation, Dinge zu erreichen und zu verwirklichen. Kontrollüberzeugung bzw. Selbstwirksamkeitserwartung bedeutet, dass eine Person das Gefühl hat, die Kontrolle über ihr Leben zu haben und dass sie glaubt, aufgrund eigener Fähigkeiten erfolgreich handeln zu können, auch in schwierigen Situationen. Herausforderung (Challenge) bedeutet, dass eine Person Schwierigkeiten als Aufgabe betrachtet und dass sie bereit ist, Risiken einzugehen, um ihre Ziele zu erreichen. Sie sieht darin Chancen für neue Erfahrungen und Anreize, anstatt einer Bedrohung für ihre Sicherheit und Stabilität. Schwierigkeiten dienen als Lerngelegenheit!

Was ist der Unterschied zur Resilienz

Vom lateinischen ‚resiliere‘ = ‚zurückspringen‘, wurde der Begriff aus der Physik (Materialkunde) in die Psychologie übernommen. Resiliente Stoffe sind jene, die nach extremer Spannung oder Druck schnell wieder in ihren Ausgangszustand zurückkehren. Schaumstoff wäre somit ein höchst resilienter Werkstoff. Einen Schaumstoffball kann man stundenlang kneten und trotzdem springt er augenblicklich wieder in seine Ausgangsform zurück, sobald der Druck nachlässt.  Niemand würde jedoch auf die Idee kommen, Schaumstoff als robust zu bezeichnen. Robuste Materialien sind hart und widerstandsfähig. Sie lassen sich erst gar nicht deformieren. Und hier liegt auch ihre Achillesferse. Sie sind unelastisch, spröde und leicht brechend. 

Erst die Vereinigung schafft Brillanz

Um beim Thema Materialien zu bleiben: Beton hat eine hohe Druckfestigkeit, reißt jedoch bei vergleichsweise geringen Zugspannungen. Stahl hingegen hat eine hohe Zugfestigkeit, verbiegt sich aber unter Druck schlagartig. Erst durch die Vereinigung im Stahlbeton können die Vorteile beider Materialien optimal genutzt werden und so eine höhere Belastbarkeit von Bauteilen erreicht werden. Menschen mit einer hohen Robustheit, können sich emotional gut vom Geschehen abgrenzen und präferieren eine sachliche Betrachtungsweise, wirken dadurch jedoch gefühlskalt und maschinenhaft. Resiliente Menschen zeichnet unter anderem die Fähigkeit zur Akzeptanz oder ein unterstützendes soziales Netzwerk aus, wodurch sie jedoch duldend, hinnehmend oder auch von anderen abhängig wirken können. Erst durch die Vereinigung von Hardiness und Resilienz können Menschen schwierigen Situationen standhalten (Robustheit) und sich auch schnell wieder von Rückschlägen erholen (Resilienz). Felsberger & Monshi erweitern die Begrifflichkeiten noch durch die ‚Antifragilität‘. Antifragile Systeme können durch Schockeinwirkungen stärker werden. Im Sinne eines ‚posttraumatischen Wachstums‘ werden sie mit jeder Herausforderung nur noch stärker.

Wie Sie (als Einsatzkraft) robuster werden

Rational-methodische Vorgehensweise:

In herausfordernden Situationen kann es nützlich sein, den Rest des Geschehens aktiv auszublenden und sich auf die Routineaufgaben zu konzentrieren. Insbesondere im Einsatzdienst sind verinnerlichte Checklisten und Algorithmen schnell abrufbar und sorgen für Sicherheit. Durch das schrittweise Vorgehen werden Fehler minimiert und können keine Maßnahmen vergessen werden. Eine sachlich rationale Denkweise sowie sich auf Aufgaben und Handlungen zu konzentrieren und vorübergehend emotionale Aspekte auszuschließen, kann psychisch schützend wirken. Man darf sich im Moment nicht alles zu Herzen nehmen und sollte stattdessen besser im Kopf bleiben. Auch ein Innehalten, um für einen kurzen Moment (10 Sekunden) zu überlegen, welche Aktionen in den nächsten 10 Minuten unternommen werden sollen, ist hilfreich. Dieses Prinzip wurde ursprünglich für das Fehlermanagement in der Notfallmedizin entwickelt. Wenn es während eines Einsatzes zu einem Zwischenfall kommt, lautet die Anweisung: „Halte an und sammle Dich!“. 

 

Sich vor belastenden Sinneseindrücken schützen:

Bei belastenden Anblicken oder Geräuschen im Einsatzdienst kann es helfen, den Blick abzuwenden oder die Ohren zuzuhalten. Im Besonderen sollte vermieden werden, Betroffenen bei tragischen Einsätzen ins Gesicht oder auf die Hände zu sehen. Abseits vom Einsatzdienst sollte man versuchen in Hochstressphasen übermäßigen Emotionalisierungen aus dem Weg zu gehen, bis die dringend notwendigen Tätigkeiten durchgeführt wurden. 

 

Sich selbst führen (Mantras):

Wenn Sie feststellen, dass die Belastungen überhandnehmen, können Ihnen kurze Selbstinstruktionen wie „Ruhig bleiben!“, „Einen Schritt nach dem anderen!“, oder „Du wirst das schaffen!“ helfen, sich zu motivieren oder zu beruhigen. Wichtig ist, dass Sie diese Selbstinstruktionen positiv formulieren und nicht negativ (z.B. statt „Du wirst jetzt nicht aufgeben!“, besser „Mach weiter!“). Erleichternd ist es auch, sich bewusst zu machen, dass ein Einsatz zeitlich begrenzt ist und nicht für immer dauern wird. „Bald ist es geschafft!“ 

 

Impulskontrolle üben:

Körperliche und psychische Reaktionen auf Stress können in brisanten Situationen ungünstig/behindernd wirken. Einfach durchzuführende Stabilisationsmaßnahmen wie die Box-Atmung oder der Gedankenstopp sollten bereits in ruhigen Zeiten regelmäßig gut eingeübt werden, damit sie im Notfall routiniert abrufbar sind. 

 

Versteinern Sie jedoch nicht:

Robustheit ist ein wichtiger Faktor, um uns in Hochstressphasen handlungsfähig und effizient zu halten. Achten Sie jedoch darauf, nicht zu verhärten und damit spröde und brüchig zu werden. Egal ob nach traumatischen Lebensphasen oder belastenden Einsätzen, setzen Sie sich nach ausreichender Verarbeitungszeit, mit dem Erlebten auseinander. Besprechen Sie das Erlebte und Ihre Gefühle mit Kolleg*innen, Freund*innen, der Familie oder psychosozialen Fachkräften. Verwenden Sie Rituale, um einen innerlichen Abschluss zu finden und nützen Sie Ihre individuellen Ressourcen. 

Fazit

Robustheit und Hardiness sind wichtige Faktoren in stressigen und schwierigen Situationen, insbesondere im Einsatzdienst. Durch eine sachlich rationale Vorgehensweise, das Schützen vor belastenden Sinneseindrücken, Selbstinstruktionen und regelmäßiges Üben von Stabilisationsmaßnahmen kann man seine Robustheit erhöhen. Es ist jedoch auch wichtig darauf zu achten, nicht zu verhärten und zugleich resiliente Faktoren wie Bewältigungsstrategien und ein soziales Netzwerk zu pflegen. Nach belastenden Einsätzen sollten die Eindrücke bewältigt und das Erlebte verarbeitet werden. Die Vereinigung von Hardiness und Resilienz ermöglicht es Menschen, schwierige Situationen unbeschadet zu überstehen und schnell von Rückschlägen zu erholen.


LITERATURQUELLEN:

  • Burch, C., & Burch, C. (2021). Atmung–das Tor zum Vegetativum. Entspannungstechniken in der Physiotherapie: Strategien für psychische, psychosomatische und physische Beschwerden, 73-89.
  • Helmerichs, J., Karutz, H., Gengenbach, O., & Richwin, R. (2015). Psychosoziale Herausforderungen im Feuerwehrdienst. Belastungen senken–Schutz stärken. Bonn: BBK.

WEBLINKS: